Mittwoch, 24. April 2019

memorial-week


Muraho,

In diesem Blogeintrag möchten wir über Rwanda und die Geschichte sprechen. Der gegebene Anlass ist die „memorial-week“, welche jährlich vom 07.-14. April stattfindet.
In dieser Woche gedenkt die Bevölkerung Rwandas den Opfern des Völkermordes gegen die Tutsi vor 25 Jahren. Ebenfalls wird diese Woche von vielen Menschen auch als Zeit für Reflexion und Aufarbeitung genutzt.

Falls ein Völkermord in Rwanda einigen nicht bekannt sein sollte, hier einige Informationen zum Hergang:
Am 06.04.1994 begann der Genozid, bei welchem der Volksstamm der Hutu-Mehrheit zwischen achthunderttausend und einer Millionen Menschen (größtenteils vom Volksstamm der Tutsi) ermordeten.
Die Unterschiede der beiden Volksgruppen bestand darin, dass die Tutsi sich größtenteils mit Viehzucht beschäftigten,  die Hutu jedoch von Ackerbau lebten. Somit waren die Hutu den feudalen Grundherren der Tutsi unterstellt. Die größten Unterschiede wurden aber von den Europäern festgesteckt. Vor allem die Deutschen und die Franzosen haben zu der Zeit durch Stikmata die Unterschiede immer wieder benannt und versuchten die Volksstämme dadurch zu spalten. Die Menschen wurden auch durch äußere Merkmale und durch deren Reichtum eingeteilt in die beiden Gruppen. Es ging sogar soweit, dass es in den Personalausweisen der Menschen stehen musste, zu welchem Stamm sie gehörten.
Bereits durch die Eroberer in der Kolonialzeit gab es politische Unstimmigkeiten in Rwanda. Selbst nach dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahre 1962 entspannten sich die Meinungsverschiedenheiten nicht. Am 06.04.1994 wurde ein Flugzeug mit dem ruandisch/burundischen Präsidenten (welcher den Hutu angehörte) abgeschossen und dies gab den Startschuss für den Genozid. Wer für den Flugzeugabschuss verantwortlich ist, konnte bis heute nicht geklärt werden.

In der „memorial-week“ finden die verschiedensten Zeremonien und Veranstaltungen statt, zu der die Bevölkerung und alle Interessierten eingeladen sind.
Beispielsweise beginnt die Woche mit einem „walk of remember“, bei dem sich die Menschen gemeinsam auf den Weg zum Stadion machen, um dort an einer großen Gedenkfeier teilzunehmen. Diese wird beispielsweise durch Reden von Zeitzeugen und Gedenkminuten mit verteilten Kerzen als symbolisches Licht gestaltet.
Auch im Laufe der Woche gibt es immer wieder Veranstaltungen, wie beispielsweise Künstler, die zu einer speziell angefertigten Ausstellung einladen, oder das Genozid-Memorial, welches speziell in der Woche als Treffpunkt für alle Menschen dient, die bewusst um ihre Angehörigen oder Freunde trauern möchten. Es ist während der Woche beispielsweise erlaubt Blumen oder Gaben auf die Massengräber des Memorials zu legen. Während des restlichen Jahres ist dies nicht möglich.
Zudem sind zu Beginn der Woche beinahe alle Geschäfte geschlossen und sie öffnen im Laufe der Woche nach und nach wieder. Allgemein scheint die Stadt und das Leben in dieser Woche „herungtergeschraubt“ zu sein und langsamer zu laufen, als normal.

Für uns persönlich ist es unfassbar schwer nachvollziehen zu können, was in den Menschen vorgehen muss, die einen solchen Genozid miterlebt haben. Beinahe jede zweite Person, der wir auf der Straße begegnen, hat dieses Unglück miterlebt, da es nur 25 Jahre her ist. Wir glauben, dass es unfassbar viel Kraft und Stärke als Mensch aber auch als gesammtes Land braucht, solche Erfahrungen reflektieren und aufarbeiten zu können. Wir wünschen allen Betroffenen diese Kraft.
Neben dieser Woche gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Geschehene zu verarbeiten. Zu dem Memorial-Center gibt es Orte wie Kirchen, die als Museen fungieren da dort ein Massentöten stattgefunden hat. In der Zeit in der wir hier sind hatten wir viele Möglichkeiten mit Betroffenen zu reden. Manche Menschen reden offen über ihre Ehrfahrungen. Sie alle versuchen nach vorne zu schauen und sich als Ruander zu verstehen. Es wird nicht mehr über Hutu und Tutsi gesprochen. Sie reden über diese schlimme Zeit, auch mit außenstehenden, aber versuchen ihren Mitmenschen nichts nachzutragen. Wir hoffen, dass das ganze Land nach vorne schauen kann und, dass sich ein Genozid nie wiederholt.


Wir möchten im Anschluss noch ein Interview mit einem Rwander anfügen, welcher den Genozid als kleiner Junge miterlebt hat:



Donnerstag, 18. April 2019

Inklusion in Ruanda



Moin Moin !

Es gab eine Veränderung im Center. Eine Schülerin unserer Klasse des Centers geht nun auf die gegenüberliegende Grundschule. Wir und auch die Achtjährige selbst freuen uns riesig über diese Chance für die nun frisch gebackene Grundschülerin.

Die Achtjährige hat eine Entwicklungsverzögerung. Sie hat Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und die verbale Sprache fällt ihr schwer. Die Chance, die ihr nun offensteht ist, dass sie in Kontakt mit anderen Kindern ausserhalb des Centers tritt, sie mit ihnen spielen und von, sowie mit ihnen lernen kann. Der erste Schritt der Inklusion ist dadurch gemacht.

Wir haben sie am Dienstag, den 26.03., in der Grundschule zusammen mit Constantine, der Lehrerin des Centers, und einer Ordensschwester besucht. Es gibt in der Klasse (nach eigener Zählung) ca 55 Schüler im Alter von 4 bis 5 Jahren, welche uns mit Gesang begrüßt haben.

 Die Grundschuhllehrerin hatte die Gelegenheit genutzt, mit Constantine und der Schwester zu sprechen. Sie erzählte, wie sich die Achtjährige verhält. Laut ihren Angaben sei unsere Schülerin aus dem Center von den anderen Mitschülern gut angenommen worden und sie spiele gerne in den Pausen mit ihnen gemeinsam. Dabei lache und bewege sie sich viel. Allerdings sei sie im Unterricht sehr still. Sie spreche gar nicht, auch bei Aufforderung würde sie es nicht versuchen und sie hätte große Schwierigkeiten beim Schreiben. Dadurch wisse die Grundschullehrerin nicht, inwieweit sie dem Unterricht folgen kann, da das Wissen weder schriftlich noch mündlich abgefragt werden könne. 

Außerdem möchten wir ebenfalls erwähnen, dass die Grundschullehrerin nicht im Bereich Sonderpädagogik ausgebildet ist, dennoch scheinbar sehr positiv auf die achtjährige eingeht.

Für uns hat es überwiegend Vorteile, dass die Schülerin die Grundschule besucht, da es ihr sichtlich gut tut mit anderen Kindern ihren Alters in Kontakt zu stehen. Außerdem hat sie sich schon gut in der Schule eingelebt und sie kommt Mittags meistens mit einem Strahlen nach Hause und möchte von dem Schultag berichten.

Stolz zeigte uns die Achtjährige ihr erstes Zeugnis.



Eine weitere Frau mit einer körperlichen Einschränkung ist nun seit 5 Jahren in der des Centers gegenüberliegenden Schule. Sie geht auf die High Level Secondary School -  in die hier sogennante „Senior 5“ (eine Weiterführenden Schule, in die 11 Klasse, in Ruanda geht man sechs Jahre in die Grundschule und sechs Jahre in die Weiterführende Schule). Ihre Diagnose ist Ataxie, welches ein Oberbegriff für unterschiedliche Störung der Koordination von Bewegungen des Körpers ist. Die 22-jährige hat Schwierigkeiten beim Laufen und Sprechen.

Im Folgenden haben wir ein Interview mit ihr auf englisch geführt und dieses Gespräch übersetzt. Es geht vor allem darum, wie sich ihre Klassenkameraden und Lehrer ihr gegenüber verhalten und, wie sie in der Schule im allgemeinen zurechtkommt.



Interview:

Wie ist deine Familiensituation und warum lebst du im Center:

Ich habe einen Bruder. Er ist 27 Jahre alt und er hat eine Frau und ein Kind. Er lebt nicht mehr bei meiner Mutter, sondern in Butare mit seiner Familie. Mein Vater ist gestorben, als ich noch ein Baby war. Meine Mutter bewirtschaftet das Feld an ihrem Haus. Das Geerntete wird selber verwendet oder verkauft. Damit macht sie das nötige Geld zum Leben. Sie lebt in Luhango.

Ich lebe seit 5 Jahren hier in Gahanga im Center, seit ich hier zur nahgelegenen Schule gehe. Ich mag es sehr hier im Center zu leben, die Menschen hier sind jetzt meine Familie. Meine Mutter kommt mich in den Ferien besuchen oder manchmal komme ich auch zu ihr.

Was sind deine Lieblingsfächer in der Schule?

Meine Lieblingsfächer sind Literatur, Kiswahili, Kinyarwanda und Musik.



Was magst du am liebsten an der Schule?

Ich lerne gerne neue Sachen und ich singe gerne zusammen mit meinen Klassenkameraden. Ich mag es auch Hausaufgaben zu machen nach dem Unterricht.



Wie begegnen dir die anderen Menschen in den verschiedenen Situationen in der Schule?

Ich mache die gleichen Aufgaben wie meine Klassenkameraden und die Lehrer unterstützen mich in den Klausuren. Ich diktiere ihnen was sie aufschreiben sollen oder ich tippe das Examen mit einem Laptop. Dafür bekomme ich dann weitere Zeit zur Verfügung gestellt. Meine Freunde helfen mir auch viel, sie unterstützen mich dabei, Stufen und Hindernisse mit meiner Gehhilfe zu laufen und bringen mich auch zurück nach Hause ins Center. Sie tragen meine Tasche, damit ich leichter laufen kann und ich bekomme die Mitschriften meiner Freunde oder Lehrer mit.

Mir fremde Menschen bzw die anderen Schüler*innen starren mich aber an. Das mag ich nicht und ich schäme mich dann, aber wenn meine Freunde dabei sind geht es.



Denkst du, dass deine Einschränkung dich bei etwas stoppt/ Hast du mehr Schwierigkeiten in der Schule als deine Klassenkameraden?

Nein, ich bin genauso gut, wie meine Klassenkameraden! In der Klasse habe ich keine Angst, sogar wenn ich etwas vor der Klasse vorstellen muss, habe ich keine Angst. Nur im Kiswahili-Kurs habe ich Angst vor dem Vorstellen, weil ich nicht so gut in dieser Sprache bin. Aber ich versuche alles.



Was möchtest du nach der Schule machen?

Ich möchte Journalistin hier in Rwanda werden für die Zeitung „New Times“. Ich möchte andere Menschen interviewn und mich mit ihnen oder Firmen unterhalten. Am liebsten möchte ich im Berreich Musik und Kunst arbeiten. In vier Jahren werde ich also das Studium an einer Universität beginnen. Hier in Rwanda kann man Journalismus an der Universität in Butare studieren, wo auch mein Bruder lebt.






Insgesamt haben wir den Eindruck, dass der Gedanke der Inklusion nicht weit entfernt ist. Zwar hat nur die Minderheit der Menschen hier in Ruanda Berührungspunkte mit Menschen, die mit einer Behinderung leben. Mehr Lehrer müssten im Bereich Sonderpädagogik ausgebildet werden, damit es noch mehr Menschen mit einer Beeinträchtigung erleichtert wird, in eine Schule gehen zu können. Wir wollen, dass noch mehr der Bewohner des Centers in Schulen untergebracht werden, allerdings wurde uns bis jetzt vermittelt, dass es momentan nicht möglich ist, wenn die Person sich nicht eigenständig fortbewegen kann oder selbst schreiben kann. Wir werden es weiterhin versuchen, Schwierigkeiten bleiben dennoch erstmals bestehen, da es leider keine Heilerziehungspfleger, Inklusionshelfer oder persönliche Assistenten etc. gibt. Sobald sich Umstände und Denkweisen ändern, kann Inklusion ein funktionierendes Instrument sein.



Nach dem hoffentlich nicht zu erschlagenden Text wünschen wir euch nun Frohe Ostertage und eine wunderschöne Zeit mit euren Familien und Freunden. Wir sind von einer ruandischen Familie zum Osteressen eingeladen und wir sind schon sehr gespannt was es hier in Ruanda zu Ostern wohl zu Essen gibt und welche Traditionen so auf uns zukommen werden. Ostereier suchen werden wir dieses Jahr nicht, aber Osterpackete aus der Heimat sind schon angekommen.